Keine Berichterstattung - Kein Problem?

Die vergessene Krise in Burundi und die Medien

Workshop und Podiumsdiskussion

Die Ankündigung einer verfassungswidrigen dritten Amtszeit von Präsident Nkurunziza führte in Burundi 2015 zu blutigen Zusammenstößen und stürzte das kleine ostafrikanische Land in eine erneute gewaltvolle innenpolitische Krise, die sich längst zu einer humanitären Notlage entwickelt hat.

Folter und Mord, Raub, sexuelle Gewalt, Entführungen sind seit drei Jahren an der Tagesordnung; die Verhandlungssituation ist völlig verfahren. Doch die Krise verläuft außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung. Das fehlende mediale Interesse, auch im Partnerland Baden-Württemberg, ist fatal. Lokale Medien wurden zerstört, Journalist*innen verschleppt, getötet oder ins Exil getrieben.

Welche Folgen die Abwesenheit von Medien in Burundi für Zivilbevölkerung, Politik und Hilfsorganisationen hat, welche Rolle Journalismus in einer solchen humanitären Krise spielt und was für ein Afrikabild der deutschen Berichterstattung zugrunde liegt, diskutierten wir bei Workshop und Podiumsdiskussion mit

Antoine Kaburahe, burundischer Journalist, Chefredakteur von Iwacu
Philipp Lemmerich, Experte für Afrikabilder in deutschen Medien
Audrey Parmentier, Journalistin beim deutsch-französischen Afrika-Programm der Deutschen Welle
Christoph Klitsch-Ott, stellvertretender Leiter von Caritas international

Moderation: Dr. Helga Dickow, Arnold-Bergstraesser-Institu, Schwerpunkt Burundi

 

Die Veranstaltung fand am Donnerstag, den 21. Juni, an der Universität Freiburg statt.

In Kooperation mit der Initiative #nichtvergesser, der Hochschulgruppe für Außen- und Sicherheitspolitik Freiburg, dem Arnold-Bergstraesser-Institut und Rapred-Girubuntu.


Zusammenfassende Ergebnisse und Aussagen der Veranstaltung:

Workshop (13 - 17 Uhr)

 


Philipp Lemmerich gründete die Medienagentur Journafrica, die eine Alternative zur sonstigen Afrika-Berichterstattung in Deutschland sein soll.

Denn bisher wird Afrika anhand drei klischeebesetzer Narrative in deutschen Medien dargestellt:

  • Der K-Kontinent: Krieg, Katastrophe, Korruption)
  • Der romantisch-wilde Kontinent: Safari, Trommler, Exotik
  • Der aufstrebende Kontinent: Wirtschaftsboom, Technologie, Innovation

Im Workshop wurden folgende und ähnliche Fragen anhand verschiedener Methoden bearbeitet: "Welches Afrikabild bekommen wir vermittelt? Woran liegt das, wie kann es besser gemacht werden & auf was können wir als Medienlkonsument*innen achten?"

Die Teilnehmenden lernten die Strukturen von Auslandsberichterstattung mit einem besonderen Fokus auf Afrika kennen und disktuierten mögliche Alternativen.

Mehr Fotos vom Workshop gibt es hier.

Podiumsdiskussion (19 - 21 Uhr)

 

Antoine Kaburahe (hier mit Übesretzer Fedor Kosoy) berichtete von seinen Erfahrungen als Journalist im autoritären System Burundis.Er ist Chefredakteur des burundischen Medienhauses Iwacu Voix du Burundi, eines der wenigen, das noch im Land tätig ist. Er selbst muss derzeit schon zum zweiten Mal im belgischen Exil leben und konnte daher auch zur Arbeit als burundischer Journalist in Europa berichten. Hier wünscht er sich vor allem, dass sich die europäischen Redaktionen und "Expertenkreise" für Menschen, die aus den betroffenen Ländern kommen und somit die Situation meistens besser kennen, öffnen.

Die Journalistin Audrey Parmentier arbeitet beim deutsch-französischen Programm der Deutschen Welle. Ihre Redaktion ist eine der wenigen in Deutschland, die regelmäßig über Burundi berichtet - auf Französisch. Frau Parmentier berichtete, wie schwierig es alleine schon sei, ihre Artikel in der deutschsprachigen Redaktion desselben Hauses unterzubringen. Sie zeigte anhand von Beispielen auf, dass es auch für gewillte Journalist*innen mit Afrika-Schwerpunkt in der europäischen Medienlandschaft nicht einfach ist.

 

Christoph Klitsch-Ott ist stellvertretender Leiter der Caritas international mit jahrelanger eigener Arbeitserfahrung in Burundi. Er beschrieb schonungslos, zu was die Abwesenheit von Berichterstattung über die Krise dort führt - seine Organisation bekommt keinerlei Spenden für Burundi, die Hilfe für die Zivilbevölkerung vor Ort wird daher immer schwieriger. Burundi ist eine der unterfinanziertesten Krisen weltweit, bis April diesen Jahres waren gerade einmal 6 Prozent der benötigten Hilfsgelder zusammengekommen.

Philipp Lemmerich erklärte, dass das mediale Desinteresse in Deutschland an Krisen auf dem afrikanischen Kontinent auf verschiedenen Ebenen zu finden sei: historisch, ökonomisch, persönlich. Welche Relevanz hat die Krise in Burundi für uns?

Mehr Fotos von der Podiumsdiskussion gibt es hier.
Zum Nachhören finden sich die Links in der rechten Spalte dieser Seite.

 

 

Zerstörte Radiostation nach dem gescheiterten Putsch in Burundi 2015.
© Iwacu

Das war die Veranstaltung in Bildern

Leseempfehlungen

"Bilder des Defizits" - Interview mit Philipp Lemmerich über die deutsche Afrika-Berichterstattung
Der Sonntag / Badische Zeitung, 17. Juni 2018


Wenig Rummel um Viel
Artikel über die Veranstaltung von Lena Tiedemann


Präsident so lange wie möglich
Dr. Helga Dickwo in Badische Zeitung, 24. Mai 2018


Verfassungsreferendum in Burundi: Mit Gewalt zur Machtkonsolidierung
Heinrich Böll Stiftung


Die Krise in Burundi und das Phlegma der internationalen Politik
kostenfreies e-Book der Heinrich Böll Stiftung


Friedensaussichten in Burundi
Heinrich Böll Stiftung


Zum Hören bei Radio Dreyeckland

Auch, bzw. gerade wenn deutsche Medien nicht Berichten gibt es Folter, Mord und sexuelle Gewalt

rdl.de/beitrag/burundi-auch-bzw-gerade-wenn-die-deutschen-medien-nicht-berichten-gibt-es-folter-mord-und
Interview mit unserer Kooperationspartnerin Verena Götze (Initiative #nichtvergesser) und Christoph Klitsch-Ott (Caritas international)


Ab wie vielen Toten lohnt es sich zu berichten?

rdl.de/beitrag/ab-wievielen-toten-lohnt-es-sich-zu-berichten
Eindrücke von der Podiumsdiskussion auf Deutsch und Französisch


Der Journalist Antoine Kaburahe über die Lage in Burundi

rdl.de/suednordfunk50/Burundi
Interview auf Deutsch und Französisch mit kurzem Hintergrund zu Burundi


Die komplette Podiumsdiskussion wird ebenfalls bei Radio Dreyeckland gesendet.


Einen Live-Stream von Teilen der Podiumsdiskussion gibt es hier: bit.ly/2MWfzpt

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